Eltern merken nichts – Kinder ertrinken ganz still
Es ist unglaublich: Schon fünf Zentimeter Wasser in einer Wanne, einem Planschbecken oder sogar in einer Pfütze reichen für ein Kleinkind aus, um darin zu ertrinken.
„Weil Kleinkinder einen überproportional großen Kopf haben, verlieren sie leicht das Gleichgewicht und fallen schlimmstenfalls kopfüber ins Wasser“, sagt Dr. Ulrich Fegeler, niedergelassener Kinder- und Jugendarzt und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in einem Gespräch mit n-tv.de. „Der Sturz löst einen schockartigen Reflex aus, die Stimmritze im Rachen schließt sich, und die Atmung ist blockiert“, erläutert Fegeler.
Die Schockreaktion führt außerdem dazu, dass sich Kleinkinder nach einem Sturz ins Wasser nicht mehr bewegen können. Das hat zur Folge, dass Eltern oftmals gar nicht bemerken, wenn ihr Kind ertrinkt. Dieser stille Tod kann sogar in einem unbeaufsichtigten Moment in der heimischen Badewanne zuschlagen. Aus diesem Grund sollten Eltern ihre Sprösslinge beim Baden, beim Spaziergang an Seen oder in Gärten mit Pools oder Froschteichen niemals aus den Augen lassen und jegliche Ablenkung vermeiden. „Auch Schwimmhilfen können die Kinder nicht vor dem Ertrinken schützen“, ergänzt der Kinderarzt.
Ebenso wie Badewannen, Pools oder Seen müssen Regentonnen oder andere voluminöse Wasserauffanggefäße als potentiell gefährlich für Kinder eingestuft werden. Zu Hause sollte man zudem nur spezielle für Kleinkinder entwickelte Badewannen benutzen und auch dann die Kinder nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.
Sekundäres Ertrinken passiert außerhalb von Wasser
Ein weiteres Risiko beim Baden, auch für ältere Kinder, ist das Einatmen von Wasser. Das passiert, wenn aus Versehen beim Sprung oder Fall ins Wasser, beim Spielen oder Rutschen oder bei einem Beinahe-Ertrinken Wasser in die Lunge gelangt.
„Das Einatmen von Flüssigkeiten führt bei Kindern unter anderem zu Entzündungsreaktionen und Ödemen“, erklärt Fegeler. So kommt es zu Störungen des Gasaustausches, die in wenigen Stunden zu immer größerem Sauerstoffmangel und schließlich sogar zum Tod führen können. „Kinder die nach einem Vorfall im Wasser auch nach einer beschwerdefreien Phase wieder anfangen zu husten, ungewöhnlich schnell atmen, teilnahmslos wirken oder deren Lippen sich verfärben, sollten umgehend in eine kinderärztliche Notfallaufnahme gebracht werden“, betont Fegeler.
Mediziner gehen davon aus, dass sich schon zwei Milliliter Flüssigkeit pro Kilogramm Körpergewicht bedenklich auswirken können. „Je kleiner die Kinder sind, umso geringere Wassermengen reichen für ein sogenannten sekundäres Ertrinken aus“, erklärt der Kinderarzt weiter. Auf keinen Fall sollten Eltern in so einem Fall versuchen, das Wasser aus den Lungen zu klopfen oder die Kinder mit den Beinen nach oben in die Luft halten, um so das Wasser aus den Lungen zu holen. Das funktioniert nämlich nicht und gefährdet die Kinder zusätzlich.
Auch wenn sekundäres Ertrinken insgesamt sehr selten auftritt, sollten Eltern Bescheid wissen, um im Falle eines Falles richtig zu reagieren und das Kind in die Notaufnahme zu bringen. Rund 85 Prozent aller Ertrinkungsunfälle – da sind sich Experten sicher – könnten vermieden werden.
Quelle: n-tv.de